Telecom Deutschland Chef Niek Jan van Damme im Welt-Interview „Wir wollen den Ausbau der Breitbandnetze weiter beschleunigen“
Im Interview mit der „Welt“ beantwortet der Deutschland-Chef der Telekom, Niek Jan van Damme, aktuelle Fragen zu All-IP und Volumenbegrenzung.
Niek Jan van Damme im Welt-Interview: „In fünf Jahren werden wir in einer Internetwelt mit höheren Zugangsgeschwindigkeiten, neuen Partnerschaften, neuen Geschäftsmodellen und neuen Tarifen leben.“
Wie fühlt man sich als Prügelknabe der Nation?
Niek Jan van Damme: Natürlich ist das unangenehm. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass wir versuchen, etwas Richtiges zu tun.
Mit einer Geschwindigkeitsdrosselung?
Niek Jan van Damme: Wir bauen unser Netz für Milliarden aus, damit immer mehr Kunden immer schneller surfen können. Bisher ist es aber so, daß die durchschnittlichen Nutzer die Vielnutzer subventionieren. Warum sollen 97 Prozent unserer Kunden dafür bezahlen, dass die restlichen drei Prozent große Mengen Daten bewegen? Fair ist es, dass diejenigen mehr zahlen, die diese Netze auch am stärksten nutzen. Wer den Wasserhahn ständig laufen läßt, bezahlt auch mehr als Otto-Normalverbraucher.
In der Vergangenheit haben Ihre Einnahmen immer dafür gereicht, das Netz zu unterhalten und zu modernisieren. Warum geht das plötzlich nicht mehr?
Niek Jan van Damme: Die Umsätze in der Telekommunikationsbranche sind massiv gesunken, in sechs Jahren allein um 9 Milliarden Euro auf 58 Milliarden. Gleichzeitig erwarten Experten, daß sich die Datenmengen bis 2016 vervierfachen. Deshalb wollen wir den Ausbau der Breitbandnetze weiter beschleunigen. Wir stoßen zwar noch nicht an unsere Grenzen, aber wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir in Zukunft weiter investieren können.
Drei Prozent Ihrer Nutzer sollen künftig die Last für den Netzausbau schultern. Reicht das?
Niek Jan van Damme: Sie sollen einen fairen Anteil tragen. Das allein wird natürlich nicht reichen. Wir wollen zum Beispiel auch über neue Wachstumsfelder zusätzliche Einnahmen erzielen.
Die Netzagentur prüft, ob regulatorisches Handeln erforderlich ist. Inzwischen hat sich sogar die Politik eingemischt. Werden Sie vielleicht doch zurückrudern?
Niek Jan van Damme: Auch der Politik erläutern wir, warum wir so handeln müssen. Für uns ist das Thema zu wichtig, als dass wir zurückzurudern könnten. Wir werden die drei Jahre nutzen, die Datenentwicklung genau analysieren und den Kunden attraktive Angebote machen. In der Debatte wird ja gerne übersehen, daß sich faktisch frühestens 2016 etwas ändert.
Was heißt das?
Niek Jan van Damme: Wenn die Durchschnittskunden tatsächlich deutlich mehr Volumen benötigen als wir heute erwarten, könnten wir die Konditionen natürlich jederzeit verbessern. Stellschrauben sind etwa eine höhere Minimalgeschwindigkeit oder ein höheres Inklusivvolumen. Auf jeden Fall werden wir bis 2016 für Vielnutzer spezielle Angebote entwickeln.
Wie viel werden denn zusätzliche Datenpakete kosten?
Niek Jan van Damme: Es ist noch zu früh, darüber zu sprechen, wer weiß, wie die Tarifwelt in drei Jahren aussieht. Als Anhaltspunkt: Im Mobilfunk können Sie heute beispielsweise für fünf Euro das Highspeedvolumen verdoppeln.
Können Sie die Aufregung verstehen?
Niek Jan van Damme: Ich verstehe, dass dieses Thema vor allem die drei Prozent unserer Vielnutzer beschäftigt, weil wir sie stärker zu Kasse bitten. Vor allem in den sozialen Medien wird die Debatte sehr emotional geführt. Fakt ist aber auch, daß wir die Preise für den weitaus größten Teil unserer Kunden stabil halten wollen.
Waren sich im Telekom-Vorstand alle einig?
Niek Jan van Damme: Wir haben schon eine grundsätzliche Debatte geführt. Aber am Ende waren wir einer Meinung, dass wir diese Diskussion jetzt und nicht 2016 führen müssen. Wir müssen jetzt umsteuern, weil Investitionen in Infrastruktur immer langfristig sind.
Kritiker sehen die Freiheit des Internets bedroht?
Niek Jan van Damme: Dafür gibt es keinen Grund. Kunden müssen auf keinen Dienst verzichten. Wir behandeln alle Internetdienste gleich, unsere eigenen Dienste etwa aus der Cloud nehmen wir nicht aus.
Ihnen wird vorgeworfen, eigene Dienste wie das TV-Angebot „Entertain“ zu bevorzugen, weil die übertragenen Sendungen nicht vom Datenvolumen zehren?
Niek Jan van Damme: Ich kenne diesen Vorwurf. Aber er trifft nicht zu. Aus unserer Sicht ist Entertain kein Internet-Dienst.
Was ist es dann?
Niek Jan van Damme: Entertain ist eine separate medienrechtlich durchregulierte TV- und Medienplattform und eher mit dem Kabel- oder Satellitenfernsehen zu vergleichen. Der einzige Unterschied ist, dass dieses Angebot über das Telefonkabel übertragen wird. Unsere Nutzer zahlen für diesen Dienst zusätzlich zehn Euro im Monat. .
Die Nutzer von Filmstreaming-Diensten wie Maxdome oder Lovefilm zahlen auch einen monatlichen Beitrag für ihre Nutzung?
Niek Jan van Damme: Wir sind offen für Gespräche mit diesen Anbietern, um ihre Angebote in Entertain zu intergrieren oder neue Kooperationsmodelle zu finden. Einen Teil dieser Erlöse würden wir dann in den Netzausbau investieren können. Dann ist es auch denkbar, dass die Sendungen nicht das Datenvolumen der Nutzer verbrauchen. Im Mobilfunk machen wir das bereits mit dem Musik-Streamingdienst Spotify. So etwas wäre sowohl mit Marktgrößen wie YouTube als auch mit Newcomern möglich.
Gib es solche Gespräche bereits?
Niek Jan van Damme: Ja, die gibt es. Wir wollen diese Möglichkeiten diskriminierungsfrei anbieten, das heißt, wir reden mit jedem über diese Modelle, der sich bei uns meldet.
Wer zahlt, darf Videos ruckelfrei übertragen?
Niek Jan van Damme: Unser Netz ist so gut, dass wir auch bisher ruckelfreie Filme übertragen können. Aber auf diese Weise wäre es möglich, die Qualität zum Beispiel auch für hochauflösende Filme zu sichern.
YouTube mag sich das leisten können. Weniger zahlkräftige Startups würden aber außen vor bleiben?
Niek Jan van Damme: Das glaube ich nicht. Gerade solche Startups haben die Möglichkeit, über so ein Modell ihre Kunden mit einer Qualität zu erreichen, die sonst nicht möglich wäre. Spotify ist übrigens auch eher ein kleiner Anbieter.
Die Datengrenzen sind Bestandteil von Verträgen, die ab dem 2. Mai abgeschlossen werden. Nun stellen sie aber in den kommenden fünf Jahren alle Anschlüsse auf die Internet-Technologie um. Was passiert mit diesen Nutzern?
Niek Jan van Damme: Wir sollten diese Diskussionen nicht vermischen. Bis 2018 wollen wir komplett auf IP-basierte Dienste umschalten – das sind fünf Jahre, bis dahin wird es vermutlich ganz andere Tarife geben, weil es auch neue Produkte geben wird. Denken Sie allein an unseren Netzausbau mit Vectoring. Wie einst bei der Umstellung von analogem C-Mobilfunk-Netz aufs digitale D-Netz wird 2018 niemand dem alten Netz hinterherweinen. Schon heute hat IP entscheidende Vorteile, etwa bessere Sprachqualität sowie zwei Leitungen und bis zu zehn Rufnummern und das bis zu vier Euro billiger.
Was bedeutet das in Bezug auf die Datengrenzen?
Niek Jan van Damme: Wer weiß, wie die Datengrenzen 2018 aussehen werden? Wir leben in einer sehr dynamischen Branche. Wer heute unterstellt, daß die aktuellen AGB in fünf Jahren für alle Breitbandkunden gelten, kennt die Telekommunikationsbranche schlecht.
Und wer sich weigert auf IP zu gehen?
Niek Jan van Damme: Ich gehe diesen Versuch, den Status quo auf 2018 anzuwenden, nicht mit. In fünf Jahren, wenn wir das alte Netz abschalten wollen, werden wir in einer Internetwelt mit höheren Zugangsgeschwindigkeiten, neuen Partnerschaften, neuen Geschäftsmodellen, neuen Tarifen leben.
Von wie vielen Nutzern sprechen wir?
Niek Jan van Damme: Mehr als eine Millionen Kunden haben sich bereits für die neue Netztechnologie entschieden. Wir sind sicher, die übrigen elf Millionen Breitbandkunden ebenfalls zu überzeugen.
Zumindest Ihren Konkurrenten scheinen Sie einen Gefallen getan zu haben?
Niek Jan van Damme: Diese Diskussion wird auf die gesamte Branche zukommen, auch auf unsere Konkurrenten, die sich derzeit noch vornehm zurückhalten. Auch sie verdienen weniger und müßten mehr investieren. Einige haben Volumenbegrenzungen schon in ihre Tarife integriert. Wir werden weiter für das Verständnis unserer Kunden werben.
Sie müssten sich doch eigentlich freuen, wenn Ihre Vielnutzer zu Ihren Wettbewerbern gehen?
Niek Jan van Damme: Auch diese Gruppe möchten wir natürlich gern bedienen. Dafür werden wir ihnen ein Produkt schnüren, das beste Qualität bietet, aber zu einem fairen Preis. Wir meinen, daß wir das besser können als die Konkurrenten.
Bemerken Sie bereits eine Kündigungswelle?
Niek Jan van Damme: Nein.
Quelle: www.telekom.com/…